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Jürgen Marquardt – Ein Nachruf
Engagiert war Jürgen Marquardt schon immer: Als Gymnasiallehrer im Wendtland kämpfte er gegen das dort geplante Endlager für den Atommüll in Gorleben – so sehr, dass damals schon seine Gesundheit in Gefahr geriet. Die Lösung war ein Umzug nach Vechta. Im Diepholzer Graf-Friedrich-Gymnasium fand der Englisch- und Geografie-Studienrat eine neue Wirkungsstätte. In der Freizeit leitete er die Kreisgruppe des B.U.N.D. Schon Anfang der 90er Jahre wurde ihm der Vorsitz von LHL übertragen. Der Verein musste seinerzeit aus Turbulenzen in ruhigere Fahrwasser gesteuert werden und dafür war Jürgen der richtige Mann! So konnte im Tschad mit der Förderung der Oberschulbildung von Mädchen ein neuer Aufgabenkreis übernommen werden, für den sich Jürgen mit vollem Einsatz stark machte.
Um die Jahrtausendwende machte er sich schließlich selbst auf den Weg in den Tschad, um dieses Land und die dortigen Partner in Benoye selbst persönlich kennenzulernen, eine Reise, die bei Jürgen für den Rest seines Lebens tiefe Spuren hinterließ. So durch seine engagierte Mitwirkung bei der kirchlichen Tschad-Initiative, welche die Versprechungen des dortigen Diktators zu den Öleinnahmen einforderte.
Kurz vor seiner Pensionierung baute Jürgen ein hochseetaugliches Boot, mit dem er danach alle Jahre wieder mit Freunden in den Sommermonaten über Nord- und Ostsee schipperte, bis hinauf nach Schweden.
Doch für den Rest des jeweiligen Jahres blieb der Tschad und LHL sein Herzensanliegen. Als dann 2008 die Düsseldorfer Solargruppe vor der Frage stand,
selbst einen Verein zu gründen oder unter das Dach eines bestehenden Vereines schlüpfen zu können, vermittelte der Tropenarzt und Freund aus gemeinsamen Studienzeiten in Münster Dr. Paul Krämer den Kontakt zu LHL. Jürgen lernte die Gruppe in Pauls Wohnung in Soest kennen und empfing uns mit offenen Armen. Bedingung war, dass die Neumitglieder für ihre Vorhaben selbständig Spenden sammelten und seine „Tschad-Interessen“ nicht störten. Danach „dockten“ auch noch einige weitere Gruppen an das „LHL-Boot“ an, die in Burkina Faso arbeiteten, in Togo, in Kenia, Nigeria, Uganda und Kongo. Der „Steuermann“ Jürgen ließ allen einen großen Freiraum, was auf Vertrauensbasis und unter seiner Leitung jahrelang funktionierte.
Jürgen Marquardt war „mit Leib und Seele“ der Vorsitzende von LHL. Gelegentlich konnte er auch ganz resolut ein Machtwort sprechen. Er war aber vor allem ein großzügiger Förderer der verschiedenen Initiativgruppen und schuf einen Rahmen, der während seiner Amtszeit vieles möglich machte. Jahr für Jahr hatten wir unter Jürgens Leitung eine Reihe von Fachtagungen und immer mehr kristallisierte sich heraus, dass die Verbesserung der Haushaltsenergie für Afrika, die auch schon für Paul Krämer ein Herzensanliegen war, ein Schwerpunktthema geworden war. Verbesserte Kochherde und Solaröfen, Solarenergie waren das große Thema im letzten Jahrzehnt für LHL. Dazu kamen die verschiedensten Bildungsprojekte, hatte doch Jürgen immer mehr ehemalige Kollegen, Verwandte und Freunde für LHL gewinnen können.
Im Tschad war ihm die Heranführung der Jugend an die heutige moderne Zeit ein wichtiges Anliegen. So gelang es ihm reichlich Solarzellen, Computer und andere Technik nach Moundou zu transportieren. Besonders erfreut war Jürgen, dass er den Erfolg in den letzten Monaten noch persönlich miterleben konnte, als immer häufiger Berichte mit Photos eintrafen, dass die dortige Jugend begeistert das neue Angebot an Computerkursen und Internetnutzung annehme und dadurch mit der großen weiten Welt verbunden sein konnte. Das war möglich durch autarke Solarenergie und Batterien, für deren Lieferung sich Jürgen unermüdlich eingesetzt hatte.
Schon 2014 begann Jürgen seine Nachfolge bei LHL zu ordnen und sein Wunschkandidat war Heinz Rothenpieler, der bis heute die Geschicke des Vereins, besonders in „stürmischen Zeiten“mit großer Sachkompetenz und viel Engagement lenkt. So konnte sich Jürgen in den letzten fünf Jahren mehr und mehr aus der operativen Arbeit zurückziehen, nahm aber den Ehrenvorsitz an, dem wir ihm zutrugen. Sogar für den Tschad gewann er mit Reinhard Hell-Neubert einen Nachfolger, doch ließ sich Jürgen nicht nehmen, bis zuletzt ganz aktiv „sein“ Computerschulungsprojekt zu begleiten, das nun im Tschad zu seinem Vermächtnis geworden ist.
Jürgen Marquardt kämpfte für seine Anliegen sowohl innerhalb von LHL als auch um öffentliche Förderung. Dabei war er immer kooperativ, hilfsbereit und verständnisvoll. Und auch der Humor kam nicht zu kurz: Kaum ein Telefongespräch endete ohne den letzten Witz, den er noch mit herzhaftem Lachen weitererzählte. Jürgen Marquardt wird uns fehlen. Er hat LHL über 30 Jahre lang geprägt und den Verein inhaltlich zu einer äußerst innovativen Organisation geformt. So waren die Vorstandssitzungen unter seiner Leitung häufig fachlich-technische Oberseminare über für Afrika interessante geeignete Techniken. Nur so konnten sich schließlich die führenden Verbesserungen der Haushaltsenergie für Afrika unter dem von Jürgen Marquardt gestalteten LHL-Dach realisieren lassen.
In diesen Stunden des Abschiednehmens sind unsere Gedanken und unsere Anteilnahme bei Jürgens Ehefrau Renate, die mit viel Geduld alle diese Aktivitäten im Hintergrund unterstützte und begleitete und bei seinen Söhnen Michael und Christoph. Wir sind dankbar, dass wir so viele Jahre gemeinsam mit Jürgen unterwegs sein durften.
Vorstand LHL