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Impressionen aus dem Alten Rathaus in Diepholz und aus dem Welthaus Barnstorf
Thesen von seiner Hoheit Prinz Asserate: EU Handelspolitik zerstört afrikanische Märkte
- Despoten werden nicht zur Rechenschaft gezogen;
- Obwohl afrikanische Staaten die Menschenrechtskonventionen unterschrieben haben, halten sich Despoten nicht daran;
- Agenda 2063 der afrikanischen Union, sollte als Basis für Verhandlungen dienen, da sie auch die Menschenrechtskonventionen enthält;
- Entwicklungsminister Müllers Initiative für "Public Private Partnerships" ist positiv;
- Es müssen die Sicherheiten (Hermes-Bürgschaften) für die deutschen Kleinunternehmen verbessert werden für Joint Ventures;
- Es muss eine einheitliche europäische Afrikapolitik geben, damit gegen Despoten rechtstaatlich vorgegangen werden kann;.
- Andere Staaten wie China plündern Afrika nur aus und die EU sollte ihre Position nutzen, um wirklich Entwicklung voranzutreiben.
Bericht der Diepholzer Kreiszeitung vom 12.6.18
Die Online-Version des Artikels der Kreiszeitung vom 12.6.18
LHL lud vom 08.-10.06.2018 zu dem Seminar “Was ist Hilfe zur Selbsthilfe“ ein. Ziel dieses Seminars war es die Entwicklungshilfe im Allgemeinen unter Bezugnahme auf die Arbeit von LHL in Afrika im Speziellen, auf ihre langfristige Wirkung zu prüfen und gemeingültige Aussage abzuleiten. Als Gastreferenten waren seine Hoheit Prinz Dr. Asfa-Wossen Asserate (Unternehmensberater und Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie), Pater Wolfgang Schonecke (Netzwerk Afrika Deutschland e.V.), Dr. Boniface Mabanza (Kirchliche Arbeitsstelle südliches Afrika) und Christoph Hinske (Center for Societal Smart Grid Design) eingeladen.
Den Beginn des Seminars bildete der Vortrag von Prinz Asserate Asfa-Wossen, bei dem neben den Seminarteilnehmern ca. 70 weitere Interessierte anwesend waren.[Das Kreisblatt spricht von 60 Teilnehmern, der Saal hatte aber 100 Sitzplätze und die meisten waren besetzt...]
Das Thema des Vortrages war “Die EU und Afrikas Präsidenten – Afrikanischer Blick auf Hindernisse und Perspektiven“. Hier stieg Prinz Asserate mit einer Erläuterung der Fluchtursachen ein und verknüpfte diese mit einer verfehlten Handelspolitik der EU und anderen westlichen Staaten. Aus diesem Grund können die Gewaltherrscher Afrikas weiterhin die von ihnen unterschriebenen UN-Resolutionen (z.B. die Menschenrechtscharta) ignorieren. Hoffnung gibt es in diesem Bereich aus dem Feld der Afrikanischen Union, die sich auf die Agenda 2063 verständigt hat und Aspekte wie Menschenrechte ähnlich der UN-Resolution selbst formuliert hat. Der Faktor China wurde ebenfalls kritisch gesehen und der Appell an Deutschland und die EU war, dass sie ihre Position nutzen sollten, um wirkliche Entwicklung zu ermöglichen. Dass dieser Weg unvermeidlich ist, zeigt laut Prinz Asserate Asfa-Wossen, die zu dem Westen inverse Altersstruktur. Schon jetzt hat Afrika sehr viele arbeitsfähige junge Menschen und in Zukunft noch mehr. Das kann die Flüchtlingsströme verstärken, wenn für diese Menge an jungen Menschen in ihrer Heimat keine Perspektiven geschaffen wird. Als eine wichtige Maßnahme erachtet Prinz Asserate Asfa-Wossen die Unterstützung von Unternehmen, die in Afrika investieren wollen. Dieser Aspekte werde in Deutschland noch allzu sehr vernachlässigt.
Am Samstagmorgen bewegten wir uns von dem makropolitischen Afrikaansatz von Prinz Asserate Asfa-Wossen weg zur Mikroebene und zu dem zwischenmenschlichen Aspekt der Entwicklungszusammenarbeit.
Christoph Hinske ermöglichte eine Life-Schaltung nach Ghana, mit einem Mitarbeiter der Regierung (Eben Anuwa-Amarh) und einem Unternehmer (Nana Kwabena Bamfo-Debrah) aus der Gruppe der Kwahu. Die Kwahu sind eine Minderheit in Ghana, die aber zu der ökonomisch erfolgreichsten Volksgruppe in Ghana zählt. Christoph Hinske und die beiden Partner aus Ghana haben untersucht, was die Kwahu so erfolgreich macht und warum sie nicht aufgrund von Eifersucht und Hass ausgegrenzt werden. Es zeigte sich, dass bei ihnen das Wissen um erfolgreiches Entrepreneurship sehr gut im Familienverband an die nächste Generation weitergegeben wird. Im Gegensatz z.B. zu Deutschland, wo die Berufsausbildung schulisch organisiert ist. Hierdurch wird eine intuitive Herangehensweise gefördert. Insbesondere die kooperative Arbeitsweise (mit anderen Gruppen) und hervorragende Kontakte in die Politik, verhinderten, dass die Kwahus kein gutes Bild in der Bevölkerung haben und so wurden sie nicht Opfer von Vorurteilen wurden. Die Forschung von Christoph Hinske und seinen Kollegen filtert die Mechanismen dieses Systems heraus, so dass von diesem Erfolgsrezept gelernt werden kann.
Das Beispiel der Kwahus zeigt sehr deutlich, dass es afrikanische Lösungen bereits gibt, die aber bisher noch nicht ausreichend von der gängigen EZ genutzt werden. Ob dies mit dem globalen Wirtschaftssystem zusammenhängt, war eine Frage, die sich hierbei aufdrängte. Unabhängig davon wurde aber klar, dass es eine eigene Herausforderung der EZ ist, diese Potentiale in Afrika für die Afrikaner nutzbar zu machen. Hier stellten sich die Teilnehmer, die in Projekte eingebunden sind die Frage, inwiefern sie selbst ihre eigenen Ziele über die der Afrikaner stellen bzw. wie welche Faktoren dazu führen, dass die afrikanische Seite nicht gehört wird oder sich nicht in den Projekten manifestieren kann.
Der nächste Vortrag von Pater Wolfgang Schonecke von den Afrikamissionaren hatte die Arbeit auf dem Grassroot Level im Blick. Der Referent teilte über 30 Jahre Erfahrung in Afrika mit den Teilnehmern. Als Einstieg griff er eine Aussage eines anderen Teilnehmers auf. “Wie können wir die Afrikaner dazu bringen unseren Ansatz umzusetzen?“. Dies war genau der Knackpunkt, der bereits durch Christoph Hinske aufgegriffen worden war. P. Wolfgang Schonecke vertritt ebenfalls die Position, dass wir als Europäer nicht zu vorschnell unsere Ideen (mögen sie auch noch so gut sein), den Afrikanern aufoktroyieren dürften. Denn so werde es immer unsere Idee bleiben und auch wenn sie vielleicht umgesetzt werde, so sei doch ihre nachhaltige Weiterführung fraglich. Pater Wolfgang appellierte, dass sich mehr Zeit genommen werden müsse, um etwas zu entwickeln bzw. etwas sich entwickeln zu lassen. Er sieht in diesem Bereich ehebliche Probleme bei der Struktur der GIZ und anderen EZ-Organisationen, deren Projekte nur für relativ kurze Zeiträume konzipiert und zu statisch angelegt sind, bzw. die nicht so leicht adaptiert werden können. Immerhin sind nach Aussage von P.Wolfgang ca. 70-80% der Veränderungen in Afrika nicht durch die EZ entstanden. Die Rolle der Kirche hob er hervor, da sie projektunabhängig über sehr lange Zeiträume mit den Afrikanern arbeite. Da kirchliche Mitarbeiter selbst vor Ort lebten, seien sie ein Teil der Entwicklung. Er wies ausdrücklich auf das enorme Potential von Afrika hin, das sich durch einen starken Bildungshunger ausdrücke. Diese Entwicklung werde durch die technischen Möglichkeiten (Internet etc.) noch zusätzlich unterstützt. Auch plädierte er für ein Umdenken in der EZ, da diese nicht selten konträr zu ihren Zielen handelt. Hier wurde auch wieder die makropolitische Ebene deutlich, in welcher die Wirtschaft einen negativen Einfluss auf Entwicklung nehme.
In der Podiumsdiskussion wurden auch Aspekte von dem Vortrag von Dr. Asserate Asfa-Wossen aufgenommen. Dazu gehörte die Unterstützung wirtschaftlicher Unternehmen, damit diese sich vermehrt in Afrika ansiedelten. Dieser Punkt wurde sehr kritisch gesehen. Zum einen sei die finanzielle Absicherung nicht der einzige Hinderungsgrund für ausländische Firmen in Afrika zu investieren. Es sei auch der Mangel an Infrastruktur und die ungenügende Qualitätssicherung als Gründe hierfür anzusehen. Zum anderen sei auch kritisch zu sehen, ob die Wirtschaft auch soziale und ökologische Aspekte einbeziehe. Da sich viele Regierungen nicht um die Einhaltung der eigenen Regeln zu diesen zwei Aspekten kümmerten, könne man nicht erwarten, dass dies dann von ausländischen Firmen erledigt werde, wenn dies auch noch kostenintensiv sei. Dr. Mabanza wies außerdem auf Pläne der oppositionellen FDP hin, welche ein zusätzliches “Ministerium für Globalisierung“ etablieren wolle, um die Aktivitäten im Ausland effizienter zu gestalten. Bisher gebe es schon drei Ministerien, die sich unabhängig voneinander um die außenpolitischen Belange der Bundesrepublik kümmerten und da fehle oft die Kohärenz.
Frei nach dem Lean-Konzept, warf Christoph Hinske ein, dass viele Fehler möglichst schnell gemacht werden sollten. Nur so könnten sich die Afrikaner emanzipieren und den Mut für eigene Lösungen aufbringen. Dies müsse sowohl auf der Mikro- als auch auf der Makroebene stattfinden und bedürfe eines generellen Umdenkens in der Kommunikation, der Projektentwicklung, -durchführung, sowie dem Auftreten.
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion und einer Kaffeepause, die zu lebhaften Gesprächen genutzt wurde, haben die Teilnehmer mit Projekterfahrung in Afrika Beispiele aus ihren Projekten dargestellt. Dazu gehörten kirchliche Projekte in Tansania und Burkina Faso, eine Berufsschule für erneuerbare Energien in Kenia, ein Projekt im Westen der Demokratischen Republik Kongo, eine Gehörlosenschule in Togo, ein Ausbildungsprojekt im Tschad und die Aufforstung von LHL im Kongo. Die jeweilige erste Fragestellung war, wer das Projekt angeregt hat: Kam die Projektidee von den Partnern im Süden oder wurde dies aus Deutschland offeriert. Letzteres, so wurde festgestellt, führt häufig zum Scheitern, weil die Partner dann nicht „ihre“ Projekte durchführen. Wenn sie allerdings Gelegenheit haben, ihre eigenen Ideen zu realisieren, dann gelingen die Projekte.
Der abschließende Vortrag wurde Sonntagvormittag von Dr. Boniface Mabanza gehalten und griff den makropolitischen Ansatz erneut auf: Möglichkeiten und Hindernisse einer afrikanischen Ökonomie. Dargelegt wurden Freihandelsbemühungen verschiedener Ländergemeinschaften in Afrika bzw. der Afrikanischen Union. Der Referent zeigte auch auf, dass manchmal einfacher ist, mit Europa zu handeln als mit anderen afrikanischen Ländern. Auch die ungerechte EU-Subventionierung von Lebensmitteln, welche die afrikanischen bäuerlichen Gesellschaften vor allem in Westafrika zerstören, kam zur Sprache. (Fotos und Text: Philipp Jülke)
Die Tagung wurde gefördert von
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