LHL Forstprojekte evaluiert

Im September 2019 wurden die LHL-Forstprojekte im Süd-Kivu (Dem.Rep.Kongo) evaluiert. Dies hatte das BMZ angeordnet, welche immerhin seit 2008 weit über eine Million Euro an LHL an Fördermitteln bewilligt hatte. Die erste Evaluation wurde durch einen Förster vorgenommen. Diesmal sollten darüber hinaus die Wirkungen auf die Bevölkerung evaluiert, also offiziell überprüft, werden. Evaluatoren waren ein deutscher Agrar-Ökonom und Pädagoge mit viel Evaluierungs-Erfahrung und ein kongolesischer Agrar-Ingenieur mit Spezialisierung auf Agroforstwirtschaft.

Hier einige Extrakte aus dem Evaluationsbericht:

Bereits seit 2008 fördert Lernen-Helfen-Leben e.V., LHL Forstprojekte im Süd-Kivu. Eine erste externe Evaluierung wurde Anfang 2016 durchgeführt. Dabei war der Blick sehr stark auf Forstwirtschaft gerichtet. Die jetzige Evaluierung war dagegen thematisch breiter angelegt und betrachtete auch einen längeren Zeitraum, nämlich von 2013 bis September 2019. Gegenstand der Evaluierung waren vier Vorhaben. Alle hatten, wenngleich mit unterschiedlicher Gewichtung, laut Leistungsbeschreibung, TdR die folgenden Schwerpunkte:

  • Forstwirtschaft,
  • Fortbildungen im land- und forstwirtschaftlichen Bereich,
  • Ausbildung von Kindern und Jugendlichen zu Naturschützern,
  • Fragen der Buschfeuerbekämpfung, der Landnutzung und der Einbindung der Viehzüchter in die Strukturen, ganz besonders im Hinblick auf Konfliktmanagement.

LHL-Projekte werden grundsätzlich von lokalen Partnerorganisationen durchgeführt. Mitunter führen vier oder fünf Partner Projektkomponenten an jeweils verschiedenen Standorten durch. Die zentrale Herausforderung der Evaluierung bestand in der großen Anzahl von 12 zu besuchenden und häufig abgelegenen Projektstandorten.

Einige wesentliche Feststellungen und Schlussfolgerungen aus dem Evaluierungsbericht von 36 Seiten:

 

  1. Was den Umfang geplanter Aufforstung betrifft, so haben fast alle Vorhaben an allen Standorten ihr Ziel in vollem Umfang erreicht und oft sogar übererfüllt. Im Projekt 2015 sind Aufforstung jedoch zum größten Teil von Buschfeuern vernichtet worden.
  2. Die Aufforstungsprojekte haben bei der Bevölkerung ein allgemeines Problembewusstsein zu Ökologie, Wald und Klima geschaffen und verankert.
  3. Die dauerhafte Motivation der Zielgruppen durch die jeweiligen Projektpartner ist beeindruckend.
  4. Die Projektdurchführungen sind allgemein extrem kostengünstig.
  5. Die parallele Projektdurchführung durch jeweils verschiedene Partnerstrukturen zusammen mit dem Austauschforum RCR (Réseau congolais pour la reforestation) hat die Basis für eine effiziente Implementierung gelegt, muss aber dringend weiterentwickelt werden.
  6. Innerhalb der kommenden fünf bis zehn Jahre werden die gepflanzten Bäume [in einigen Regionen] zu einem enormen Wirtschaftsfaktor. Wie die gerechte Teilhabe an diesen Ressourcen organisiert werden soll, muss einen Kernbestandteil der zukünftigen Arbeit der Partner bilden.
  7. Das Austauschforum RCR (Réseau congolais pour la reforestation) sollte zeitnah seiner Rolle nachkommen, thematische Richtlinien zu forst- und agroforstwirtschaftlichen Themen zu erarbeiten und den Mitgliedsorganisationen zur Verfügung zu stellen.
  8. Zahlreiche Aufforstungen werden während der kommenden Jahre zur Holzgewinnung genutzt werden. Wie dies geschehen soll, technisch, organisatorisch und rechtlich, muss – am besten innerhalb des RCR, - geklärt werden. Die Erwartung, man könne dies durch die Gründung von Genossenschaften organisieren, muss zunächst kritisch geprüft und auf eine Umsetzbarkeit hin untersucht werden.
  9. Bildungsaktivitäten für die Zielgruppen, insbesondere auch Umwelterziehung für Schulkinder, sollte unbedingt beibehalten werden.

  10. Aufforstung als Element des Naturschutzes ist ein Aspekt. Es muss deshalb schnellstmöglich verbindlich für alle Durchführungspartner definiert werden, wo wie und unter welchen Bedingungen aufgeforstet wird. Fragen der Eigentumsverhältnisse genutzter Flächen und der Nutzung von Holz müssen schnellstmöglich geklärt werden. Dabei sollten auch frühere Entscheidungen überprüft und wenn irgend möglich revidiert werden.
  11. Einige Implementierungspartner haben inzwischen die Anzahl der Buschbrände deutlich reduziert. Dies erfordert klare Strategien auf der Grundlage der Machbarkeit und zukünftig einen intensiveren Austausch zwischen den verschiedenen Partnern.

Die langjährige Erfahrung der meisten Partner bei der Wiederaufforstung stellt inzwischen ein erhebliches Kapital dar und ist einer der Erfolgsfaktoren für die meisten Partnerstrukturen. 

Insgesamt haben Interviews gezeigt, dass mehr als 50 Prozent der begünstigten Haushalte Lorena-Herde verwenden, die den Holzverbrauch um mehr als die Hälfte verringern. Auch die praktische Anwendung von Kompost ermöglicht es Bauern, vor allem Frauen, ganzjährig Gemüse für den Eigenbedarf zu produzieren.

Zu den Stärken der Projekte gehört insbesondere die gute Zusammenarbeit der Partner mit den lokalen Verwaltungen und den traditionellen Autoritäten.

Der Bedarf der Zielgruppen an den von den LHL-Projekten angebotenen Leistungen besteht fort. Aufforstung ist nach wie vor eines der zentralen Themen in der Region und wird von kaum einer anderen Organisation unterstützt. Dabei stellt der stark partizipative gemeindebasierte Aufforstungsansatz von LHL einen zusätzlichen Mehrwert dar. Inzwischen folgt auch die lange Zeit verfolgte eindimensionale Aufforstungspraxis der GIZ, lediglich ausgerichtet auf Eukalyptus, einem durch mehr Artenvielfalt geprägten gemeindegestützten Ansatz.

Der in manchen LHL-Vorhaben sehr stark verfolgte Naturschutzgedanke hat durchaus seine Berechtigung. In keinem Fall sollte dabei aber der Bedarf an Nutz- und Feuerholz vergessen werden. Auch darüber hinaus sollte die Schaffung von Einkommen zusätzliche Projektschwerpunkte bilden. Die mitunter zu forstliche Projekt-ausrichtung bedarf komplementärer Projektkomponenten nicht zuletzt deshalb, weil sich ökonomische Aspekte in der Forstwirtschaft erst nach vergleichsweise langen Wachstumszeiten von Bäumen im Einkommen der Zielgruppen bemerkbar machen.

Die intensive Projektarbeit im Hinblick auf ein allgemeines Umweltbewusstsein und –verständnis geht, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen im Rahmen der lokalen Naturfreundebewegung „Marafiki wa Mazangiras“ absolut in die richtige Richtung.

Es gibt inzwischen Anfänge von Selbstverwaltung der von den Projekten durchgeführten Aktivitäten: (i) bei der Waldüberwachung, (ii) der Weiterverbreitung der Lorena-Herde (iii) und auch bei der Gemüseproduktion. Die sichtbaren Wirkungen sind jedoch trotz Austauschveranstaltungen, Schulungen, Seminaren und Treffen zum Wissenstransfer noch begrenzt. Die Konsolidierung begonnener Maßnahmen wäre somit von großer Wichtigkeit.

Zielerreichung

In Bezug auf das Ausmaß der geplanten Wiederaufforstung haben fast alle Projekte an allen Standorten ihr Ziel voll erreicht und oft übertroffen.

Hier ist Handlungsbedarf für LHL und die Partner:

Ein fundamental wichtiges Problem muss angesprochen werden: Durch Aufforstung werden, wenngleich erst mittelfristig, enorme monetäre Werte geschaffen, nicht bei reinen Naturschutz-Aktivitäten, aber bei Aufforstung von Nutzholz, das als Bauholz oder für die Herstellung von Holzkohle verwendbar ist. Um die spätere Nutzung solcher Investitionen für die heutigen Zielgruppen sicherzustellen, müssen die Nutzungsrechte vertraglich geregelt sein, insbesondere wo großflächig aufgeforstet wird und wo die Besitzverhältnisse der genutzten Flächen nicht klar sind. Hierauf wurde bislang zu wenig geachtet und es Bedarf sofortigen Handelns. Die jeweiligen Nutzungsrechte für Holz müssen von allen LHL-Partnern einheitlich und zu Gunsten der Zielgruppen geregelt werden.

 

Jugendliche und Kinder, die Naturfreunde "Marafiki wa Mazingira", haben sich allgemeines Wissen über ihre Umwelt angeeignet (Gartenarbeit, Kleintierzucht, Einrichtung von Baumschulen und Anbau von Feldfrüchten). Die befragten Eltern und Schulleiter zeigten sich erfreut über die Beiträge der Jugendlichen und des Kinderstolzes/-vertrauens in die Entwicklung ihrer Fähigkeiten. So nehmen Kinder am Umweltmanagement teil. Zu den Voraussetzungen für den Erfolg der Aktivitäten gehörten die gute Zusammenarbeit mit den lokalen Autoritäten, ein gutes Management und eine enge Überwachung der meisten Partner

 

Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Aktivitäten rund um den Kampf gegen Buschfeuer die Mentalität der Zielbevölkerung verändert haben. Mit Hilfe der ausgebildeter Feuerbrigaden und der aktiven Unterstützung der lokalen Bevölkerung wird an vielen Standorten nun die Überwachung der aufgeforsteten Wälder übernommen. Dies ist ein Erfolg, der Anerkennung verdient.

Die Aufforstungsprojekte haben ein allgemeines Bewusstsein für ökologische, forstwirtschaftliche und klimatische Fragen in der Bevölkerung geschaffen und verankert. Nach den wiederkehrenden Aussagen der befragten Partner sind die direkten Auswirkungen der Aufforstungsaktivitäten auf das jeweilige regionale Mikroklima offensichtlich. Insbesondere wurde die Trockenzeit in der Regel von fünf auf zwei Monate (Juli bis August) reduziert, so die Aussagen.

Das Bewusstsein der Zielgemeinden in Bezug auf die Bedeutung der Wälder für die Umwelt und deren umweltverträgliche Bewirtschaftung hat sich verändert (insbesondere im Projekt 2192). Das Wissen über ökologische Themen hat deutlich zugenommen und drückt sich auch beim Erosionsschutz sowie bei bodenverbessernden Maßnahmen aus. Kenntnisse über lokale Baumarten haben deutlich zugenommen.

Fast alle aufgeforsteten Wälder können noch nicht holzwirtschaftlich genutzt werden. Ein vorläufiger Bewirtschaftungsplan wird derzeit diskutiert, bevor die operative Phase der Waldnutzung (öffentlich, kommunal und privat) beginnt. Dieser Plan muss technische Aspekte und Abläufe im Zusammenhang mit Holzeinschlag, Holzverkäufen sowie der Durchführung von Ausgleichsaufforstungen in allen betroffenen Gebieten umfassen.

Um eine nachhaltige Bewirtschaftung der geschaffenen Wälder zu gewährleisten ist es notwendig, in den begünstigten Gemeinden einen sog. „code forestier zu erarbeiten, der insbesondere die Nutzung der gepflanzten Bäume regelt, um Kahlschlag sowie vorzeitiges Fällen zu verhindern. Aber auch Fragen des Verkaufs von Holz, Techniken für den Abtransport gefällter Bäume von unzugänglichen Steilhängen, der Produktion von Holzkohle oder eine zukünftig intensivere Nutzung von Bäumen in der Agroforstwirtschaft stellen Herausforderungen dar.

Fest steht, dass die LHL-Projekte ein dauerhaftes ökologisches und ökonomisches Potential hinterlassen werden. Eine angemessene Nutzung produziert mittelfristig genügend Einkommen, um eine Fortführung der Projektaktivitäten zu ermöglichen. Denn insbesondere auch die LHL-Partner sind zu Waldbesitzern geworden. Die große Herausforderung wird sein, (i) in wieweit die Zielbevölkerung an geschaffenen Werten teilhaben wird und (ii) in wieweit die Durchführungspartner es verstehen werden, ihre zukünftige Arbeit selbst zu finanzieren. Das Potential dazu ist geschaffen.

Vorbereitung und Konzept der Evaluierung haben wir hier veröffentlicht