Wälder schützen beim Kochen in Afrika: Bericht vom Kocherseminar LHL 8.und 9. März 2019

Die Kocher-Tagung im Eine-Welt-Labor des Franz-Jürgens-Berufskollegs in Düsseldorf begann am Freitagnachmittag, 16.30 Uhr mit der kurzen Eröffnungsansprache vom LHL-Vorsitzenden Heinz Rothenpieler, der darauf hinwies, dass dieses Seminar auch ein LHL-Beitrag zum gleichentags international begangenen Weltfrauentages sein könne.

Rothenpieler wies darauf hin, dass einerseits Handy und Smartphone sich rasant in Afrika verbreiteten, vor allem unter den Männern, die somit sozusagen mit der gesamten Welt verbunden seien, während allzu oft ihre Ehefrauen noch auf dem Drei-Steine-Ofen kochten, mühsam Holz sammelten oder einen Holzkohleofen nutzten, der in keiner Weise energiesparend sei. Dieses Seminar solle sowohl die aktuellen Entwicklungen von solchen energiesparenden Kochherden darstellen als auch beraten, wie die technisch inzwischen ausgereiften Herde verbreitet werden, wie sie also in das afrikanische Dorf, in die afrikanische Stadt kommen, wie sie lokal hergestellt werden können.

Im Anschluß stellten sich die zu diesem Zeitpunkt 21 Teilnehmer vor, die eine hohe Motivation mit­brachten an diesen Fragen zu arbeiten. Viele Teilnehmer waren selbst in Afrika unterwegs und suchten Möglichkeiten in ihren Projekten verbesserte Öfen einzusetzen.

Von 17.30 bis 19.00 sprach die Ofenspezialistin Christa Roth zum Thema “Kochenergie als Heraus­forderung für die Entwicklungszusammenarbeit”. Sie begann selbstkritisch mit der Frage, warum Haushaltsenergie immer noch eine Herausforderung sei und legte dar, in den letzten 30 Jahren seien viele Projekte zu ihrer Verbesserung entweder gescheitert oder hätten nur sehr begrenzte Erfolge ge­bracht. Deswegen hätten sich jetzt größere Entwicklungsorganisationen und die staatliche Zusammenarbeit aus der Förderung zurückgezogen, die allerdings meist sich im Millionenbereich befunden habe. Diese Einrichtungen seien nicht darauf eingestellt, kleinere Pilotprojekte zu fördern und oft reiche der übliche Förderzeitraum von 3-4 Jahren nicht aus, um Verhaltensänderungen im Bereich der Haushaltsenergie nachhaltig zu bewirken. Außerdem seien heute “Wirkungsanalysen” gefordert und um an Geldmittel heranzukommen, seien oft bessere Wirkungen versprochen worden als erreicht werden konnten. Diese übertriebenen Versprechungen hätten dann zu Mißerfolgen geführt. Frau Roth legte dann eine breite Palette von “Wirkungsketten” vor, die einst von der inzwischen leider aufgelösten GIZ-Abteilung “HERA” (welche die Haushaltsenergie untersuchte und fördern konnte) ausgearbeitet worden waren: Öfen müssten preiswert sein, um die Armut zu reduzieren, einen geringeren Holz oder Holzkohleverbrauch vorweisen, um die Wälder zu schonen und keine Gesundheitsschäden hervorbringen. Gerade letzteres sei für manche Geldgeber immer wichtiger geworden. Frau Roth betonte, dass industriell gefertigte, hochqualifizierte, verbesserte Öfen für den Endverbraucher meist zu teuer seien. Deswegen sprach sie sich für die Professionalisierung lokaler Produktion aus. Sie machte dies an einem Beispiel aus Malawi deutlich, wo ein aus Ton gebrannter verbesserter sehr einfacher Ofen für 1 Euro hergestellt und verkauft werden kann. Inzwischen seien mindestens 500.000 solcher Öfen in Malawi im Einsatz. Allerdings eigne sich dieser Ofen nicht für alle afrikanischen Länder, weil ein spezieller Ton dafür nötig sei und außerdem müsse auf die lokalen Bedürfnisse geachtet werden. Die beste Lösung seien mehrere verbesserte Ofenmodelle im Angebot, sodass die afrikanische Frau beim Erwerb eine Auswahl habe. In Kenia und Uganda existiere solch ein Markt schon, allerdings in vielen anderen afrikanischen Ländern noch nicht.

Schließlich betonte Frau Christa Roth, dass auch die Frage des verfügbaren Brennstoffes beachtet wer­den müsse. Bezahlbarer Brennstoff sei in den verschiedenen Ländern unterschiedlich. Doch in Entwicklungsländern sei 90 % der Haushaltsenergie thermischen Ursprungs. Elektrischer Strom sei Mangelware und müsse der Beleuchtung vorbehalten bleiben. Die Frage des Brennstoffs spiele eine immer größere Rolle und müsse bei der Einführung brennstoffsparender Öfen berücksichtigt werden. Die Diskussion dazu blieb während des gesamten Seminars aktuell. Frau Roth legte auch dar, wie verbesserte “Brennstofflieferketten” entstehen könnten. Das Brennstoff-Angebot könne durch ein besseres Management existierender Ressourcen erhöht werden und durch verstärkten Anbau erneuerbarer Brennstoffe, also z.B. Holz. Auf der anderen Seite könne der Bedarf durch verbesserte Techniken reduziert werden. Der Vortrag hat insgesamt die makro (ökonomische) Seite des Problems betont. Ein Fazit war noch besonders wichtig: Frau Roth sprach sich engagiert gegen das Verschenken von holzsparenden Öfen aus. Sie sollten auf einem Markt erhältlich sein und dadurch auch Einkommen schaffen.

Anschließend stellte Ofenspezialist Richard Fetzner einen einfachen Lehmkocher vor, der im Baukas­tensystem zusammengesetzt werden kann und der sowohl als Holzkocher (Holz, Briketts), Holzkohlekocher und sogar als Pyrolysekocher eingesetzt werden kann. Dieser Ofen wurde ur­sprünglich von Hans-Peter Negele in Malawi entwickelt und unter dem Namen “Alevi” verbreitet. Richard Fetzner hat das Modell dann weiterentwickelt, sodass heute ein hocheffektiver energiesparen­der Ofen vorliegt, der zu einem Preis von unter 10 Dollar hergestellt werden kann. Der Lehmkocher besteht aus sechs seitlichen Segmenten, einer Bodenplatte und zwei Tragegriffen, die durch zwei Eisen­ringe zusammengehalten werden. Die Mischung ist diese: drei Teile getrockneter und gesiebter Lehm, zwei Teile gesiebter Sand und ein Teil Zement, außerdem Wasser. Hergestellt werden diese Teile in Holzformen.

Zum Kochen mit Holzkohle bzw. zur Pyrolyse sind einfache Einsätze aus Blech notwendig, die jeder Schlosser problemlos herstellen könnte. Dadurch entsteht eine Flamme mit über 630 Grad, welche die giftigen Gase vollständig verbrennt, sodass dieser einfache Ofen keine Abgase hat. Die Beschreibung von Richard Fetzner soll in die Kisuaheli-Sprache übersetzt werden, sodass Handwerker in Ostafrika diesen Ofen nachbauen können. Richard Fetzner hat auch in Zusammenarbeit mit Bernhard Müller einen weiteren Ofen entwickelt, der am Freitagabend vorgestellt wurde, der “Baba Moto” (“Feuerpapa”, kisuaheli). Dieser Ofen wird bereits in Uganda und Kenia zu Hunderten hergestellt und in einem System vermarktet, welches den früheren “Tupperware”-Treffen in Europa nachempfunden ist. Die Verkäufer bieten in Kirchengemeinden, auf Hochzeitsfeiern und anderen größeren Treffen der Bevölkerung Vorführungen an und sammeln Aufträge ein für diesen hochwertigen Ofen, der nicht nur leistungsfähig ist, sondern auch hübsch aussieht. Der Preis liegt bei ungefähr 20 Euro, weshalb oft ein Mikrokredit-Finanzierungssystem zur Bezahlung eingesetzt werden muss. Durch diese beiden Darstel­lungen entstand ein erster Eindruck von den Marketing-Herausforderungen für verbesserte Öfen.

Der Abend wurde nach 20.00 Uhr durch einen Imbiss beendet, bei dem die Teilnehmer informell über das Gehörte und Erlebte sich austauschten und untereinander kennenlernten.

Bernhard Müller wies am Samstagmorgen zunächst eindringlich darauf hin, dass der Verbrauch von Holzkohle dringend reduziert werden müsse, weil dadurch an vielen Orten die letzten Wälder vernichtet würden. Kenia hat bereits ein drastisches Abholzungsverbot eingeführt, wofür sich in einigen Landesteilen die Bevölkerung eingesetzt hatte, welche noch in den Dörfern wohnt, wo Wälder existieren. Dadurch entsteht allerdings ein erheblicher Brennstoffmangel überall im Land.

Im Anschluß daran berichtete Frau Ingelore Kahrens, die Ende Februar von einem dreimonatigen Aufenthalt in Kenia zurückgekehrt ist, über die Situation der Verbreitung energiesparender Herde in Kenia, die generell etwas besser ist als in vielen anderen afrikanischen Ländern, da in Kenia die Haus­frau oft eine Auswahl von geeigneten Öfen vorfindet. Wegen dem Abholzungsverbot sind solche Öfen auch dringend nötig. Frau Kahrens stellte anschließend einen Ofen vor, den ihr Handwerker in Kenia nach einem altbekannten Modell nachgebaut hatten. Dies ist ein Sägespänekocher. Die holzverarbeit­ende Industrie produziert vielerorts reichlich Sägespäne, die ungenutzt oft einfach abgefackelt werden. Der Sägespänekocher, der sehr einfach in der Herstellung ist, kann diese effektiv verbrennen und dabei eine hohe Wärme erzeugen, sodass stundenlang gekocht werden kann. Auch wenn dieser Ofen nur dort interessant ist, wo solche Sägespäne verfügbar sind, so verbreitet dieser effektive Ofen die Palette der geeigneten holzsparenden Kocher.

An der Podiumsdiskussion nahmen Christa Roth, Bernhard Müller, Richard Fetzner und Ingelore Kahrens teil. Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Brennstoff-Frage. Allerdings wurde auch betont, dass die hochwertigen Öfen, die im Bereich von LHL entwickelt worden sind, jetzt nachgebaut werden müssten, weshalb geeignete Bauanleitungen in verschiedenen Sprachen notwendig seien. Die Bauanleitungen müssten für Handwerker verständlich gestaltet sein, sodass sie benutzt werden. Etwas ausführlicher wurde auch die Frage des “Copyrights” der Ofenmodelle diskutiert. Manche Ofenbauer zögern die massenweise Herstellung, weil sie ihr Modell am liebsten patentieren möchten. Christa Roth wußte Abhilfe, sie empfahl den Ofenherstellern ein Siegel anzubringen, welches nicht einfach kopiert werden kann, sodass der Käufer leicht feststellen könne, ob er das Original kaufe oder eine unqualifizierte Kopie. Diskutiert wurden auch Probleme der staatlichen Besteuerung auf die Ofenproduktion, die je nach Umfang sehr unterschiedlich geregelt ist oder hier und da noch keine Lösung gefunden hat.

Ein Teilnehmer des Seminars, Marius Bierig, der kommerziell Lehmöfen herstellt und auch Projekte in Äthiopien durchführt, plädierte für ein durchgängig kommerzielles Vorgehen zum Vertrieb der Öfen. In Äthiopien bauen sie auf dem Land sowohl eine Produktion als auch einen Vertrieb auf, die sich kommerziell rentieren müssen.

Diese Fragestellung führte dazu, dass eine humanitäre Organisation wie LHL ihre Grenzen deutlicher zu sehen hat, weil sie eher weniger wirtschaftliche Kompetenzen hat. Den Teilnehmern wurde allerdings klar, dass dieser Bereich wichtig ist, auch um immer mehr Arbeitsstellen durch Produktion und Vertrieb von geeigneten Öfen bereitzustellen. An der anschließenden Diskussion haben sich die Seminarteilnehmer sehr lebhaft beteiligt.

In der letzten Stunde des Seminarteils wurden Öfen, die Richard Fetzner mitgebracht hatte bzw. die schon im Eine-Welt-Labor vorrätig sind, im Schulhof praktisch vorgeführt. Am Samstag waren 23 Teilnehmer bei dem Seminar, darunter mehrere Schüler des Franz-Jürgens-Berufskollegs, die sich auf eine Reise in die LHL-Projekte auf Madagaskar vorbereiten. Insgesamt hatte das Seminar 26 Teilnehmer.

Die Teilnehmer waren im allgemeinen sehr zufrieden mit dem Seminar, auch wenn jetzt hohe Erwartungen an die Weiterarbeit bestehen. Die Erwartung wurde ausgesprochen, dass wir weiterhin bei dem Thema “dranbleiben” und als nächstes die Bauanleitungen produzieren.

H.R. Photos: Marcel Vogelsberger

unten: Der 1-Euro-Kocher von Malawi

Einladung zur Tagung

"Wälder schützen beim Kochen in Afrika"

Kochen in Afrika – das ist immer noch häufig der Drei-Steine-Ofen oder ein herkömm­licher Holzkohleofen, bei denen viel Wärme in die Luft verlorengeht. Holz oder Holz­koh­le muss teuer bezahlt oder mühsam gesucht werden. Inzwischen stehen zahl­reiche Modelle verbesserter Öfen zur Verfügung. Doch wie kommen diese in den afri­kanischen Haushalt? Manche Modelle sind noch zu teuer, andere noch nicht bekannt. In der gesamten Ent­­wicklungszusammenarbeit spielt Kochen in Afrika unter dem Gesichts­­punkt der Holzenergie leider bisher nur eine untergeordnete Rolle. Für LHL ist dies eine sehr wichtige Frage mit ökologischen und ökonomischen Aspekten, die auf diesem Seminar beleuchtet werden. Wir freuen uns, dass wir kompe­tente Referenten gewinnen konnten. Zweck des Seminars soll sein, Voraus­setzun­gen für eine stärkere Verbreitung der verbesserten Öfen zu untersuchen und zu schaffen. Moderation: Ingelore Kahrens (Brunsbüttel), Wamai Mwangi (Chemnitz/Kenia)

 

Programm

Freitag 08.03.2019

16:00 - 16:30

Ankommen (Kaffee und Gebäck)

16:30 - 17:00

Begrüßung, Einführung in das Thema, Erwartungen an das Seminar und Vorstellung der Teilnehmer

17:00 - 18:30

Christa Roth, (angefragt) internationale Beraterin für Kochenergie: “Kochenergie als Herausforderung für die Entwicklungszusammenarbeit“

18:30 - 19:30

Richard Fetzner/Bernhard Müller: Die Entwicklung und Verbreitungsmethode des Baba-Moto-Kochers

19:30 - 20.30

Richard Fetzner: Der Cochepa-Holzkohlekocher für Sambia und der Baka Alevi, ein bezahlbarer Kocher für die afrikanische Familie

20:30

Gemeinsamer Abend-Imbiss

Samstag 09.03.2019

08:30 - 09:00

Kaffee, kurze Zusammenfassung der Vorträge des Vorabends

09:00 - 09:30

Bernhard Müller: Holzkohle, Fluch oder Segen?

09:30 - 10:00

Fatou Bangoura: Können Mikrokrediten verbesserte Kocher fördern?

10:00 - 10:30

Fatou Bangoura/Chantal Kloecker: Einkommenschaffende Maßnahmen rund um verbesserte Öfen

10:30 - 11:30

Kocher-Vorführungen im Freien

11:30 - 13:00

Podiumsdiskussion mit allen Referenten: Wie kommen die verbesserten Öfen in den afrikanischen Haushalt?

13:00 -

Gemeinsames Mittagessen (im Teilnehmerbeitrag enthalten) und Ende der Veranstaltung

Die Tagung wurde gefördert aus Mitteln des Eine-Welt-Beirates der Stadt Düsseldorf